Kind fährt dynamisch mit Scooter in einer Parkanlage

Rollfahrzeuge für Kinder

Welches Gerät in welchem Alter?

Kinder entwickeln sich in den ersten sechs Lebensjahren rasant. Wollen Eltern ihre Kinder optimal fördern, ist es deshalb sinnvoll, zur richtigen Zeit das richtige Spielgerät anzubieten. Aber woher weiß man, welches Angebot das entwicklungsgerechte ist? Zwar gibt es mittlerweile viele sog. „Entwicklungstabellen“, die für bestimmte Altersphasen Vorschläge zur motorischen, körperlichen, sozial-emotionalen, kognitiven und sprachlichen Förderung machen. Für das Thema Rollen jedoch fehlen sie meist, sind unvollständig oder entsprechen nicht immer aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Rollspiel hat deshalb die wichtigsten Fakten zusammengetragen und die passenden Rollgeräte für Kinder ab dem ersten Lebensjahr bis zum Übergang in die Grundschule in eine Reihenfolge gebracht.
Düren, 17.01.2024

Grundsätzlich gelten die pädagogischen Entwicklungs- und Förderregeln:

(vgl. hierzu „Was sind Spielfahrzeuge?“ https://campus.verkehrswacht.de/course_units/218v)

  • Sitzen ist leichter als Stehen
  • Mit den Füßen anschubsen ist leichter als Pedale treten
  • 4 Räder sind sicherer als 3 Räder sind sicherer als 2 Räder
  • Der Ort (draußen/drinnen) und die Oberfläche (weich/hart, glatt/rau) bestimmen die Wahl zwischen Hartkunststoffrädern und luftgefüllten Gummirädern mit ihrer Wirkung: langsamer vs. schneller, leiser vs. lauter, rutschiger vs. griffiger
  • Große Räder werden schneller als kleine Räder
  • Kunststoff ist leichter als Metall
  • Selbständige Aktivmobilität ist fremdgesteuerter Passivmobilität vorzuziehen

 

Bei der nachfolgenden Reihung der entwicklungsgerechten Fahrzeuge und Rollgeräte für den Freizeit- und Heimbereich ist zu bedenken, dass kindliche Entwicklung nie reibungslos, linear und komplett vorhersehbar verläuft. Stattdessen ist der Normalfall die Abweichung. Wissenschaftler nennen dieses Phänomen „Variabilität“. Sofern also ein Kind erst 3 Monate später als in den Phasen angegeben sich für ein Fahrzeug interessiert, sollten die Eltern ruhig bleiben; manche Kinder entwickeln sich schneller, manche eben etwas langsamer. Wichtig ist nur, dass ihnen frühzeitig ein passendes Rollgerät angeboten wird, die Eltern das Fahren, Rollen und Gleiten vorleben und keinen Druck aufbauen. Die Zeitangaben dienen also vor allem der allgemeinen Orientierung.

Phase 1: Rutschautos bzw. „Bobby Car“ (mit Flüsterrädern)

Ab ca. 12 Monate, -3/+6 Monate

Eines der wichtigsten Anforderungsmerkmale in dieser Phase ist, dass die Kinder sicher sitzen können. Mit sicher sitzen ist gemeint, dass sie dazu ohne Hilfsmittel und ohne Begleitperson in der Lage sind. Im statistischen Normallfall gelingt dies ca. zwischen dem 7. und 9. Monat. Außerdem müssen die Haltekraft in den Händen, das Körpergleichgewicht und die Beinkraft zum Anstoßen stark genug sein. Letztlich gehört zum sicheren Fahren auch, dass Kinder selber auf- und absteigen können, was wiederum das sichere Gehen voraussetzt. Das gelingt den meisten zwischen dem 9. und 16. Monat.

Phase 2: Laufräder

Bei Dreirädern ab ca. > 18 Monate, -3/+6 Monate;
2 Räder ab ca. > 24 Monate, -3/+6 Monat

Die wesentliche Anforderung in dieser Phase ist, dass ein fahrendes Objekt nicht mehr vier, sondern nur drei und im schwierigen Falle nur zwei Räder hat. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein Kind samt Gerät umfallen kann. Deshalb ist es die vorrangige Aufgabe, die Fähigkeit des  Gleichgewichtssinns zu verbessern. Dadurch kann im Normallfall ein guter Laufradler auch ein guter Fahrradfahrer werden (s. Phase 4b).

Phase 3: Fahrzeuge mit Pedalen

Ab ca. 30 Monat, -3/+6 Monate
  • Dreiräder (in verschiedenen Variationen; mit Tretpedalen)
  • Vierräder (mit großen Rädern; Go-Carts, Kettcars, etc.)

Die Herausforderung bei den Geräten von Phase 3 besteht weniger im Halten des Gleichgewichtes, sondern im Pedalieren. Zum einen müssen dadurch mehrere Dinge gleichzeitig gemacht werden (Pedale treten, Lenken, Ausschau halten nach Hindernissen), was eine erhöhte neuronale Anforderung schafft. Zum anderen aber benötigt man hier vor allem Beinkraft, insbesondere bei den größeren Vierrädrigen. Wer die beiden Phasen 2 und 3 problemlos schafft, der muss sich auch keine Gedanken machen über das Fahrradfahren lernen.

Phase 4: Roller und Fahrräder

Roller (Scooter)

Roller fahren ist etwas eigen-ständiges im wahren Wortsinne. Es ist eines der wenigen Rollgeräte, bei dem man während des aktiven Fahrens steht. Das fordert nicht nur das Gleichgewicht stärker, sondern auch das Anhalten, da mindestens immer ein Bein auf dem Brett steht. Der nachfolgend abgebildete Typ ist ca. ab 3 Jahren (36 Monate +/- 6 Monate) fahrbar.

Beim zweiten Rollertyp wiegt das Problem beim Bremsen noch schwerer: Größere Rollen bedeuteten schnellere Fahrzeuge. Deshalb ist der Typ an Rollern mit den größeren Rädern weniger geeignet für Kitas, sondern eher für die Grundschule ab ca. 1.–3. Klasse (+/- 1 Jahr). Helme sollten hierbei absolut Pflicht sein. Knie- und Ellbogenschützer ergänzen das Sicherheitspaket.

Insbesondere der Stunt-Scooter (rechts in der oberen Bildreihe) ist aufgrund seiner kleinen Räder (kleines Rad + hoher Lenker = erhöhte Kippgefahr) und der Fähigkeit als „Sprung-Roller“ eingesetzt zu werden, schwerer zu bedienen. Denn wer springt, muss auch wieder landen können. Zwar gibt es bereits Modelle ab dem Kindergarten (ab 3 Jahre), jedoch können die wenigsten Kinder in diesem Alter weite oder hohe Sprünge bei der Landung ausbalancieren. Geeignete Rollspielflächen auch mit niederschwelligen Übungsmöglichkeiten sind hier besonders wichtig.

Fahrrad (ab ca. 36 Monaten, -3/+24 Monate)

Fahrrad fahren, und somit das Treten von Pedalen um Rollen zu können, gehört zu den wohl größten Errungenschaften menschlicher Mobilität. Man kommt vergleichsweise schnell, gesund, ausgeglichen, kostenarm und umweltverträglich ans Ziel. Damit das aber gelingt, ist neben Kenntnissen über den Straßenverkehr, gutem Material und passender Ausrüstung das technische Können fundamental. Zu letzterem gehört nicht nur die Bewegungsfertigkeit des Radelns, sondern auch kognitiven Fähigkeiten wie z. B. die Raumwahrnehmung. Zwar sind Kinder mit 3 Jahren den komplexen Anforderungen des täglichen Straßenverkehrs noch nicht gewachsen. Eben deshalb ist es aber wichtig, so früh wie möglich damit anzufangen. Ein gesonderter, mit Oberfläche und Bauart geeigneter Rollspielraum wie z.B. ein Pumptrack zur schrittweisen Hinführung an diese Anforderungen ist deshalb äußerst hilfreich.

Stützräder empfiehlt Rollspiel im Regelfall nicht (!), da sie genau diese wichtige Lernphase für das Gleichgewicht verzögern oder gar verhindern: Sie blockieren die Kurvenlage und erlauben technisch Geschwindigkeiten, die die Kinder motorisch nicht beherrschen. Stützräder können im Ausnahmefall sinnvoll sein, wenn die Angst von Kindern zu groß vor dem Fallen ist. Sie sind also aus psychischer Sicht eventuell eine erste (Übergangs-)Hilfe; aus Sicht des optimalen Technikerwerbs nicht.

Phase 5: Skateboards

Ab ca. 6 Jahren/72 Monate, -6/+48 Monate

Hilft der Lenker beim Tretroller noch, das Gleichgewicht beim Stehen zu entlasten, fällt auch diese Hilfe beim Skateboard weg. Hinzu kommt, dass das Brett auf Rollachsen liegt, welche eine Neigung des Bretts zulassen. Denn nur so kann man mit dem Skateboard ausreichend lenken. Da zudem keine technische, sondern nur die „Fußbremse“ bzw. das Abspringen vorhanden und möglich ist, ist dieses Rollgerät – mit Ausnahme des Einrads – sicherlich die Meisterprüfung unter den Kinderfahrzeugen. Erste Fahrversuche sind tatsächlich bereits mit Beginn des Grundschulalters möglich, wenngleich viele Kinder auch erst Ende der Grundschule bzw. Anfang der Sekundarstufe die nötigen Möglichkeiten aufbringen. Entscheidend ist immer, was soll mit dem Board gemacht werden: einfach Fahren, Slalom oder Sprünge sowie Freestyle-Tricks? Die Altersempfehlung ist also stark abhängig von der Nutzung dieses sehr vielfältig einsetzbaren Rollgerätes. Gleiches trifft auch für die Longboards zu, wobei hier der Forschungsstand weitaus begrenzter ist.

Vorsicht bei Rollbrettern

Nicht wenige Hersteller von sog. Rollbrettern empfehlen deren Nutzung bereits für Phase 1. Das ist aus mehrerlei Gründen mit Vorsicht zu betrachten, da Rollbretter

  • aufgrund der meist verwendeten 360°-Radaufhängungen in alle Richtungen fahren können. Das stärkt zwar den Raumlage-/Orientierungssinn, macht die Geräte jedoch wendiger, unberechenbarer und somit schwerer zu lenken. Eine erhöhte Unfallgefahr ist das Ergebnis.
  • Die kleinen Hände gelangen beim Anschieben leicht unter die Räder, ebenso lange Haare beim Liegen. Deshalb: lange Haar zum Zopf binden.
  • Kinder probieren alles Mögliche aus. Das führt dazu, dass häufig auf Rollbrettern gestanden wird. Das ist aus motorisch-kognitiver Fördersicht natürlich toll, aber auch gefährlich.

Das Rollbrett ist aus pädagogischer Sicht ein tolles Gerät, weil es hohe Anforderungen an Kinder stellt und gleichzeitig viel Spaß macht. Aber gerade im Alter zwischen einem und zwei Jahren sollten die Eltern oder pädagogische Fachkräfte zumindest in der Nähe und gedanklich bereit sein zu unterstützen und waghalsige Aktionen durch Absicherung zu begleiten. Die Risikoübernahme der Kinder soll ermöglicht, die Gesundheit aber gesichert sein! Weitere hilfreiche Sicherheitstipps im Umgang mit Rollbrettern gibt z.B. die Deutsche Verkehrswacht.

(vgl. hierzu „Sicher Rollbrett fahren“ der Deutschen Verkehrswacht https://www.verkehrswacht-medien-service.de/grundschule/velofit-bewegung/praktische-vorbereitung-auf-die-radfahrausbildung-klasse-1-bis-3/ab-klasse-2-uebungen-mit-gleit-und-rollgeraeten/sicher-rollbrett-fahren/)

Anmerkung für Planungsbüros und Erbauer von Rollspielflächen

Soll Gegenverkehr zugelassen werden, bedarf es eines Rechts-Verkehrssystems mit zwei Spuren. Da die Lenkerbreite eines handelsüblichen Rollers ca. 35–40cm beträgt, sollte die Rollbahn insgesamt eine Breite von mindestens 150cm haben, womit 70cm Sicherheitsabstand zwischen den Fahrzeugen entstehen.

Die Breite eine Kettcars beträgt 60–65cm. Eine Rollspielbahn muss also mindestens 150 cm für Roller breit sein, besser noch 180cm bei der zusätzlichen Nutzung von Kettcars (= 50cm Sicherheitsabstand).

Rollstühle nehmen bei Kindern im Durchschnitt ca. 50 cm und bei Erwachsenen ca. 75 cm Gerätebreite ein, so dass hier weitere mind. 10 cm dazukommen würden. Da aber der Arm-Hand-Bereich selbst auch noch Platz einnimmt, kommt man auf eine realitätsnahe Breite von rund 100 cm, womit eine finale Bahnbreite von mind. 2 Metern zu empfehlen ist. Das ist auch breit genug für den Wendekreis der meisten handelsüblichen Rollstühle.

Interessante wissenschaftliche Artikel und Bücher hierzu:

  • Mercê, Chr., Branco, M., Catela, D., Lopes, F. & Cordovil, R. (2022). Learning to Cycle: From Training Wheels to Balance Bike. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19(3), DOI: https://doi.org/10.3390/ijerph19031814
  • Pauen, S. (2018). Vom Baby zum Kleinkind. Beobachtung, Begleitung und Förderung in den ersten drei Lebensjahren (2. Aufl.). Heidelberg: Spektrum.
  • Roth, A. & Krombholz, H. (2016). Meilensteine der motorischen Entwicklung. Panelstudie zur motorischen Entwicklung von Kindern in den ersten zwei Lebensjahren. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik.
  • Van der Meer, E., Gerlach, R. & Gehlert, T. (2020). Entwicklung der Geschwindigkeitswahrnehmung bei Kindern. Forschungsbericht Nr. 72 der GDV (Unfallforschung der Versicherer). Letzter Zugriff am 17.01.2024 unter https://www.udv.de/resource/blob/79896/17282545882266da271acced6d25989c/72-entwicklung-dergeschwindigkeitswahrnehmung-bei-kindern-data.pdf
  • Zeuwts, L., Vansteenkiste, P., Cardon, G. & Lenoir, M. (2016). Development of cycling skills in 7 to 12 year old children. Traffic Injury Prevention, 17(7). DOI: http://dx.doi.org/10.1080/15389588.2016.1143553
  • Tehrani, R. (2022). Ein Lehrbuch für Theorie und Praxis. Aachen: Meyer & Meyer.